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Visionisten zu Aktivisten

Für die Kritiker ist die Rente mit 67 ein arbeitspolitischer Nonsens. Im Alter zwischen 63 und 65 Jahren haben gerade noch 7,4 Prozent der Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Job.

Auch bei den 58-63-Jährigen hat nur jeder Vierte und bei den 55-58-Jährigen 39,4 Prozent einen vollen Arbeitsplatz. Die Beschäftigungsquote geht ab dem Alter von 50 Jahren steil nach unten. Bei den über 58-Jährigen ist die Arbeitslosenzahl in einem Jahr um 96 Prozent gestiegen.

Und wer glaubt da noch wirklich, dass die Menschen, die mit 64 keinen Job mehr haben, mit 65 wieder eingestellt werden, wenn das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht wird?

Ungeachtet dieser Fakten betreibt „Arbeitplus in Bielefeld“ (Arge) das Projekt 50plus mit einem  eigens dafür abgestellten Betreuerstab. Finanziert werden zahlreiche Projekte, wie z.B der „Boxenstopp“.

Boxenstopp

Jetzt haben Arbeitslose, die älter als 50 Jahre sind, im Rahmen des Projektes „Boxenstopp“ eine Internetseite ins Netz gebracht. Das Portal nennt sich aktiv50.net und hier könnnen sich Jobsuchende der Generation über 50 kennen lernen und Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern aufnehmen. Konzipiert und durchgeführt wurde die Initiative in Zusammenarbeit mit der Bildungseinrichtung Creos Lernideen und Beratung GmbH.

Jeweils ein halbes Jahr erarbeiten sich die Teilnehmer des Projekts „Boxenstopp“ die technischen und fachlichen Grundlagen, um eine Portal-Installation  wie www.aktiv50.net zu betreuen. Zu den Inhalten gehört auch der Umgang mit der Adobe Creative Suite 3.

An sich eine tolle Sache, denn wer kann sich den Kauf und die Schulung einer so sauteuren Profi-Software im ALG II Bezug überhaupt leisten. Und dann noch zu Hause die hohen Mindestanfordungen an die PC-Hardware bereitstellen?

Auf der Seite können sich über 50-Jährige präsentieren. Dazu erstellen sie ein Profil von sich. Sie zeigen ihre beruflichen Qualifikationen, aber auch Hobbys und Interessen. In Themengruppen können so Gleichgesinnte gefunden werden.

Jobs, Jobs, Jobs

„Es geht aber vorrangig nicht um Spaß“, betont Thorsten Kaul von Creos, der sich mit azubi.net schon eine etwas spassorientiertere Community ins virtuelle Haus geholt hat. Bald soll auch die Jobbörse, der wichtigste Inhalt der Seite, online gehen. Dort können sich die Mitglieder präsentieren. Interessierte Unternehmen haben die Möglichkeit Kontakt aufzunehmen, falls eine Anstellung in Betracht kommt.

Die Nutzung der Seite ist kostenlos. Neben Jobbörse und Kontaktangeboten ist auch ein Lexikon zu finden. Dort kann sich jedes Mitglied über Fragen zu Bewerbung, Lebenslauf oder zur Existenzgründung informieren.

„Es ist eine moderne Seite, die die Chance auf einen Job erhöht“, hofft Kaul. Er weiss, dass Arbeitssuchende über 50 ohne Computerkenntnisse kaum eine Chance auf eine Anstellung haben.  Schon bald wird die nächste Gruppe eingearbeitet um die Inhalte zu erweitern und die Seite zu pflegen.

Visionisten ausgebootet

Dabei sah die Idee und Konzeption der Vorgänger Gruppe im Boxenstopp etwas anders aus. Um sich von der Stigmatisierung als Problemguppe der „über 50-Jährigen“ zu befreien, planten sie ein offenes Portal für Visionisten aller Altersstufen,  sozialen Schichten und Länder.

Vision (v. lat. visio (Gen.: visionis) „das Sehen“, „Anblick“, „Erscheinung“)

Unter Erscheinung versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch verschiedene Arten des Erscheinens, Sichtbarwerdens oder Sichzeigens von zuvor nicht zu sehenden oder erkennenbaren Gegenständen oder Vorgängen in der Umwelt.

VisionistenWer eine Vision gelebt hat, sie gerade umsetzt oder sich schon länger damit beschäftig, der sollte hier eine Plattform finden, die im besten Sinne auch web-technisch visionär ist. Menschen mit der Vision eines Wiedereinstieges in den Arbeitsmarkt wären hier genauso zu finden gewesen wie Visonäre, die sich nach einem langen Arbeitsleben oder erfolgreicher Selbständigkeit den Traum eines Hotels unter Palmen an tropischen Stränden erfüllen.

Was aus diesem Entwicklungsansatz für die Domain visionisten.net geworden ist, kann natürlich bedauert werden. Aber es zeigt ganz deutlich, das die Bildungsträger und Arbeitsvermittler auch keine wirklich neuen Antworten auf die Frage haben, was 92,6 Prozent der 63-65-Jährigen ohne jegliche sozialversicherungspflichtige Arbeit für diese Gesellschaft leisten können.

Leichtsinnig verschenktes Potential

Denn eines ist klar: Die Gesellschaft verzichtet leichtsinnig auf ein Bildungs- und Erfahrungspotential, dass die neuen Generationen augrund einer verfehlten Bildungspolitik nie und nimmer mehr in die Gesellschaft einbringen können. Mancherorts aber will man das Potential nutzen, nur leider ohne angemessene Bezahlung. Schade.

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